Im Juni 2000 hatten wir die Gelegenheit an einer geführten Tour zum süd-englischen Goodwood, zum Festival of Speed teilzunehmen. Damals war es noch fast eine beschauliche Veranstaltung auf dem Anwesen des Earl of March – Inzwischen aber ist schon fast ein Run auf Goodwood losgebrochen. Ein Reisebericht …
Auf nach Goodwood

Oldtimer auf der Autobahn
Von Bochum aus ging es über die Autobahn nach Holland, durch Belgien und Frankreich nach Calais. Trotz zum Schluss strömenden Regens erreichten wir den Fähranleger noch “just in time”. In Warteposition, wenige Minuten bevor es auf die Fähre ging, wurde auf Anregung Karls noch eine kleine technische Durchsicht der Fahrzeuge durchgeführt. “Du qualmst wie ein Schlot”, sagte er zu mir und meinte natürlich meinen Wagen. Er musste es wissen. Karl war mit seinem weißen Fiat 1500, der mit einem der seltenen von den Maserati Brüdern hergestellten OSCA-Motoren ausgestattet war, die bisherige Stecke hinter mir gefahren. Ein Blick unter die Motorhaube des blauen 1500ers, den Werner mir für die Tour zur Verfügung gestellt hatte, offenbarte die Ursache des nach Öl riechenden Qualms. Der Deckel des Öleinfüllstutzens hatte sich selbständig gemacht und war im Motorraum auch nicht mehr auffindbar. Was nun?
Improvisieren ist alles, wenn man mit einem Oldtimer unterwegs ist. Nachdem zwei Liter Öl nachgefüllt waren, musste der Lappen, mit dem gerade noch ein paar kleinere Öllachen im Motorraum beseitigt worden waren, als neuer Verschlussstopfen herhalten. Einfach auf den Öl- Einfüllstutzen gelegt und mit Klebeband gut umwickelt, sollte dieser Behelf schließlich die ganze Tour überstehen. Die Kanalüberfahrt war weniger spannend als erwartet. Ruck zuck, wie am Schnürchen verschwanden PKWs und LKWs, in nur einer Viertelstunde in der Fähre. Das Wetter klarte etwas auf und so genossen wir die Sonne auf Deck und am Horizont waren sie schon zu erkennen: Die weißen Klippen von Dover.
Oldtimerhandel

Und dann ging es los, auf der “falschen” Fahrspur durch eine wunderschöne Gegend über verwundene Landstraßen – genau das richtige für eine Ausfahrt in einem offenen Oldtimer.
Duncton Mill

Blue Sky … davon war leider nicht die Rede. Bei grau bewölktem Himmel und sich nur vereinzelt zeigender Sonne, wollte sich nicht so das richtige Cabrio-Feeling einstellen. Aber wir wollten die Tour erleben, mit allem was dazu gehört! Also – Verdeck runter – mit Schal, hochgeklapptem Kragen und Baseball-Cap trotzten wir dem frischen Wind und genossen die schmalen aber guten Landstraßen, die sich durch die hügelige, reich bewaldete Landschaft von West Sussex Richtung Goodwood schlängelten.
Zum Festival of Speed
ging es dann am nächsten Morgen. Von unserem Hotel, am Flughafen in Gatwick -südlich von London-, waren es noch ca. 70 km bis zum Ziel. 70 km Landstraße, die Spass machten. Schmale, verwundene Straßen durch eine grüne, größtenteils bewaldete Landschaft, so wie sich jeder Cabrio-Fahrer eine Route für eine Ausfahrt wünscht.
Earl of March

Brooks Oldtimer Auktion

war der erste Programmpunkt an diesem Tag. Die Versteigerungskataloge (Stückpreis ca. 75,- DM) galten immer für zwei Personen als Eintrittskarte zu der gut besuchten Veranstaltung. Vom seltenen Modellauto aus den zwanziger Jahren über handsignierte Fahrzeugteile verunfallter Formel 1 Boliden bis zum McLaren F1 GTR für 650.000,- DM (Schätzpreis) hatte Brooks fast alles im Programm, was den Pulsschlag des Sammlers hochtreibt. Insgesamt 1005 Positionen!

“Brooklands Paddock”

Mit Motor Setup der lautesten Art wurden die Rennwagen für den morgigen Renntag vorbereitet, wie z.B. an einem 2,65 Liter Alfa Romeo Tipo B Monoposto. Das brüllende Motorengeräusch lockte zahlreiche Neugierige an, die sich alle die Ohren zuhielten – nur der Mechaniker schütze seine Ohren nicht, er musste ja schließlich die Nuancen erkennen.
Phill Hill Formel 1 Legende und ehemaliger Weltmeister Phil Hill, war nicht der einzige “Alt-Star”, der nach Goodwood gekommen war, um wieder mal Rennluft zu schnuppern.
Unglück beim Festival of Speed Ein tragischer Unfall überschattete das Festival of Speed am Samstag Nachmittag, kurz vor Ende der für diesen Tag geplanten Rennen. Bei aller Professionalität, mit der Fahrer, Teams und Organisatoren das Festival angehen, darf man nie vergessen – es handelt sich immer noch um ein Autorennen, mit all seinen Gefahren für Fahrer, Streckenposten und Zuschauer. Zu leicht werden die Risiken außer Acht gelassen, denn es sind ja Oldtimer mit über 30 Jahren auf dem Buckel. Erst auf den zweiten Blick ist man sich im Klaren, daß der V8 Motor den Oldie in ein tödliches Geschoß verwandeln kann, wie es dann auch mit dem Lotus des Unglücksfahrers geschah.
John Dawson-Damer, Fahrer und Eigner des ’69er Lotus 63 war mit seiner Frau aus Australien angereist, um den allradgetriebenen V8 in Goodwood zu präsentieren. Das seltene Fahrzeug, von dem nur zwei Exemplare gebaut wurden, ist von so bekannten Formel 1-Piloten wie Jochen Rindt und Mario Andretti gefahren worden. Trotz ausgeklügelter Technik konnte sich das Konzept des Antriebs im Rennen nicht durchsetzen. The Race-Course, das sogenannte Goodwood Bergrennen, ist knapp 2 Kilometer lang. Vor der Veranstaltung wurde die Anlage von dem British Automobile Racing Club und der Motor Sports Association auf Sicherheitsmängel untersucht. Die Experten stuften die Strecke, mit seinen speziell gesicherten Strohballen, als sicher für die Rennen des Festivals ein. Der Lotus von John Dawsen Damer fährt hier mit Tempo 160 km/h auf das Ziel zu. Der Wagen bricht aus und stellt sich leicht quer.

Foto: The Times Fahrbahnunebenheiten zurückzuführen auf Baumwurzeln, die den Asphalt angehoben haben, sollen unbestätigten Stimmen nach Auslöser des Unfalls gewesen sein.
In Höhe der Zielinie kam es dann zu dem tragischen Unglück, als der rote Lotus 63 gegen das Zieltor prallte, vor dem gerade zwei Streckenposten standen. Der 59-jährige Dawsen-Damer verunglückte dabei tödlich. Die beiden Marshalls wurden so schwer verletzt, daß der 40-jährige Andrew C. in der Nacht zum Sonntag in der Klinik verstarb. Der zweite Streckenposten, Steve T. kam mit dem Leben davon, verlor bei dem Unfall aber seinen rechten Unterschenkel. Foto: The Times
Der Earl of March and Kinrara war tief bestürzt über das tragische Unglück. Am Abend des 26. Juni teilte er aber mit, daß das Festival auf Wunsch der Familie von John Dawsen-Damer wie geplant weiter fortgeführt werden sollte.
Grafik: The Times – Wie es zu dem Unfall kam. In der Grafik (Quelle: The Times, 26.06.00) ist noch einmal der Ablauf des Unfalls dargestellt.
Der 3. Tag, Rennen ohne Ende

Damon Hill ließ es sich auch nicht nehmen nach Goodwood zu kommen. Hier fährt er einen Formel 1 Honda von 1968. Nur brauchte er den V12 aber nicht sonderlich zu scheuchen. Der Honda war nur als Demo gemeldet. Wie schon öfter bei solchen Anlässen trägt Damon den Helm, mit dem sein Vater früher in der F1 unterwegs war.
McLaren wird heute nur als Rennstall in Verbindung mit Mercedes gesehen. 1969 wurden die Chassis von Bruce McLaren noch von Ford Cosworth Motoren angetrieben. Der orange Doppelflügler mit seinem 3 Liter-Triebwerk war eine der spektakulärsten Konstruktion McLarens – viel bewundert, aber im Rennen nie siegreich. McLaren Ford
McLaren Mercedes Box Der britische Rennstall gehört heute mit seinem Partner Mercedes,zweifellos zu den erfolgreichsten Teams des Formel 1 Zirkus. So ließen sie es sich auch nicht nehmen, bei einem Event direkt vor der Haustür des Firmensitzes, mit einem großen Aufgebot aufzutrumpfen..
David Coulthard war in diesem Jahr leider nicht mit dabei – in Goodwood. Nur seinen 3 Liter V10 West-McLaren Mercedes gab es diesmal aus der Nähe zu sehen. Coulthard’s McLaren

McLaren-Testfahrer Nick Heidfeld war 1999 als Fahrer von McLaren gemeldet worden. Der Testfahrer zeigte im Jahr vor seinem Formel 1 – Debüt den Mitstreitern die Rücklichter. Seitdem hält Quick-Nick mit 41,6 Sek.den Rekord des “Goodwood-Bergrennens”. Ob der, hinter Coulthards Wagen stehende, Mercedes-Testfahrer ähnlich erfolgreich sein wird?
Heinz-Harald Frentzen überließ Mike Gascoyne die Spazierfahrt durch den Garten des Earl of March. Der Mugen Honda mit seinem V10-Zylinder fährt aber auf der Rennstrecke der Konkurrenz gar nicht so weit hinter her. – Jordan wurde immerhin Dritter in der Konstrukteurswertung 1999.
Jonny Herbert und Luciano Burti kamen nach Goodwood, um ihre “Katze” auch hier vorzustellen. Das Fahrer-Team Irvine/Herbert holte, in der Debüt-Saison 2000, die ersten Formel 1 Punkte für die zu Ford gehörende “Jaguar Racing” in Monaco.
Blimp über Goodwood

Der Blimp wird startklar gemacht Ein faszinierendes Erlebnis. Zum Abschluß des Rennwochenendes stand noch einmal ein Highlight auf dem Programm: Ein Rundflug mit einem Blimp über das Anwesen des Earl of March. Jeden Tag auf dem Weg von unseren Hotel in Gatewick zum Festival kamen wir an dem alten Feldflugplatz auf dem Anwesen des Earl vorbei – und jedes Mal stoppte Werner am Tower um einen Zuständigen aus der Goodyear-Crew davon zu überzeugen, uns auf einem Rundflug mitzunehmen. Am letzten Tag ließ es sich dann endlich arrangieren. Freudestrahlend und mit knappen Worten:” Heute Nachmittag, 17 Uhr sind wir dran!” verkündete er uns seinen Erfolg.
Einweisung durch den Piloten Kurz nach 5 ging es los, wir wurden von einen Mitglied der Crew, im dunkelblauen Drillich, am Tower abgeholt und mit einem Rang Rover an das andere Ende des Areals gebracht, das als Start- und Landeplatz für den Blimp vorgesehen war. Während der Fahrt fing der junge Engländer sofort an zu erzählen, teils in Englisch, teils in Deutsch: “Er sei schließlich auch häufig auf Tournee in Deutschland mit dem Goodyear-Team – und wo wir herkommen würden wollte er wissen.” Als ich ihm sagte: Mülheim-Ruhr und erklären wollte wo das liegt winkte er ab und lachte: ” Mindestens einmal im Jahr sind wir in Mülheim, bei Wüllenkemper auf der Luftschiffwerft zur technischen Durchsicht des Blimps!”
Los geht ‘s! Beim Blimp angekommen ging alles ganz schnell: Kurze Begrüßung, rein in die Gondel, Einweisung durch den Piloten und schon heulten die Motoren und das Luftschiff setzte sich in Bewegung. Aber wie! Die Nase steil nach oben gerichtet ging es ab in den Himmel. Los geht’s!

Goodwood von oben zu erleben war dann der krönende Abschluß dieses fantastischen Rennwochenendes. Jetzt wurde uns erst einmal klar welche Ausmaße das Anwesen des Earl hat. “Bis zum Horizont,” meinte der Pilot mit eine kurzen Handbewegung, “gehört das gesamte Gebiet zu Goodwood!”
Das “Festival of Speed” hat schon seinen ganz besonderen Reiz. Angefangen mit der Anreise – in einem Oldtimer die herrliche Landschaft Südenglands zu “erfahren” und dann das besondere Flair dieses Oldtimerevents mit seinem einzigartigen Ambiente im Park des Earl zu erleben, war schon für alle Mitreisenden ein Erlebnis an das man mit Wehmut zurückdenkt!
Auf den Geschmack gekommen? Hier gibt es die aktuellen Infos zum Goodwood Festival of Speed und anderen Veranstaltungen in Goodwood.